Leiden wir alle unter einem Reizdarmsyndrom?

In meinem beruflichen Kontext erscheinen mir Patienten mit einem Reizdarm sehr häufig. Meist allerdings ohne eine wirkliche Diagnostik der Ärzte erfahren zu haben. Leider habe ich das Gefühl, dass heutzutage jeder Mensch ein Reizdarm diagnostiziert bekommt der Verdauungsbeschwerden vor allem in Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung aufweist. Damit machen es sich viele Ärzte leider oftmals sehr einfach – denn ein Reizdarm ist lediglich nichts anderes als eine Ausschlussdiagnose. Folglich bedeutet dies, dass keine andere Ursache gefunden wurde, die für die Verdauungsbeschwerden verantwortlich sein können. Hierfür müssen somit folgende Ursachen ausgeschlossen worden sein: Nahrungsmittelunverträglichkeiten (Laktose, Fruktose, Glukose, Sorbit), eine Histaminintoleranz, Zöliakie und Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa sowie Darmkrebs.

Woran liegt es, dass Ärzte mal so eben einen Reizdarm diagnostizieren? Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass psychische Erkrankungen und das Vorliegen von Verdauungsbeschwerden sehr häufig miteinander einhergehen, aber eine verlässliche Datenlage an „wirklichen“ Reizdarmpatienten ist auch nicht vorhanden. Tatsächlich ist es so, dass der Plexus Solaris, ein Teil des vegetativen Nervensystems, welcher für die Kontraktion und Erschlaffung des Magen-Darmtraktes verantwortlich ist, sehr anfällig auf Stress, Nervosität, Angst und Panik reagiert. Infolgedessen kann es schnell zu den Reizdarmtypischen Symptomen führen, da der Plexus Solaris sich fehlsteuern lässt. Kennt ihr selbst nicht auch die Situation, dass ihr sehr nervös vor irgendetwas seid – wichtige Prüfung, ein Vorstellungsgespräch und erst einmal noch mal auf Toilette müsst oder Bauchschmerzen habt? Hallo Reizdarmsymptom oder aber auch völlig normale Reaktion eures Körpers auf bestimmte Lebensereignisse.

Als kleiner Tipp fangt an ein Tagebuch zu schreiben, indem ihr euch notiert, was ihr gegessen habt, welche Symptome ihr hattet und vor allem welche Gefühle euch zu diesem Zeitpunkt begleitet haben. Vielleicht habt ihr in diesen Zeiten vermehrt Stress – auch positiver Stress ist hiermit gemeint. Der Plexus Solaris kann positiven Stress nicht von negativem Stress unterscheiden. Vielleicht beunruhigt euch zur Zeit doch mehr oder ihr habt Angst vor irgendetwas (oftmals auch unterbewusst) oder fühlt euch innerlich einfach sehr unruhig. Auf all das kann unser Körper mit Verdauungsbeschwerden reagieren. Sollten die genannten Auslöser nicht vermehrt aufgetreten sein, dann macht euch bitte dafür stark, dass euer Arzt eure Symptome ernstnimmt und verschiedene Tests bei euch durchführt. Schließlich kann sich auch einfach eine gewöhnliche Laktoseintoleranz hinter euren Symptomen verbergen.

Insgesamt bedeutet dies natürlich nicht, dass ich daran zweifle, dass es ein Reizdarmsyndrom gibt. Zudem kann bei Vorliegen von diesem eine FODMAP-arme Ernährung die Symptome lindern.

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