Low Carb. Kohlenhydrate. Freund oder Feind?

Schaut man sich um oder lauscht Gesprächen, dann verfolgt heutzutage fast jeder eine Kohlenhydratarme Ernährungsweise. Diäten, die darauf beruhen keine Kohlenhydrate zu verzehren, gibt es wie Sand am Meer. Und dies aus einem einzigen Grund. Schlankheit. Die Erreichung dieses Ziels verspricht einem eine Kohlenhydratarme Ernährung. Wann ist es passiert, dass Kohlenhydrate zu unseren Feinden – man könnte fast meinen dem Staatsfeind Nr. 1 auserkoren wurden? Sind Kohlenhydrate wirklich der Grund für all unsere Probleme? Und geht es uns wirklich besser und sind wir schlanker, wenn wir auf sie verzichten?

Ein kleiner Exkurs in die Anfänge der Low-Carb Bewegung: Der Atkins Diät.

Von der Atkins Diät haben bestimmt einige von Euch schon einmal gehört. Sie wurde bereits im Jahr 1958 von Robert Atkins erfunden und ist somit der Vorbote der heutigen Low Carb Bewegung. Die Atkins Diät ist derart radikal, dass sogar Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst strikt verboten sind – schließlich soll wirklich auf jegliches verzichtet werden, was nur in irgendeiner Menge Kohlenhydrate enthält. Angesichts der daraus resultierenden sehr wahrscheinlich auftretenden Mangelerscheinungen empfiehlt Herr Atkins selbst die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Vitaminen. Eine auf Dauer durchgeführte Kohlenhydratarme Ernährungsweise birgt große Nebenwirkungen, so dass Herr Atkins mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst an den Folgen seiner eigenen Erfindung gestorben ist. Ihr fragt Euch, wie es dazu kommen konnte? Das erkläre ich Euch nun und werde nicht allzu detailliert auf die naturwissenschaftlichen Prozesse eingehen. Versprochen!

Benötigt unser Körper Kohlenhydrate? Ja oder Nein?

Ja! Damit unser Körper einwandfrei funktionieren kann ist dieser auf Energie angewiesen. Vor allem unser Gehirn, aber auch unsere Muskel- und Nervenzellen müssen mit Energie versorgt werden. Unsere Energielieferanten stellen dabei Kohlenhydrate dar. Genauer gesagt, Glucose. Glucose ist ein Einfachzucker (Mono-Saccharid) – ein Zucker, welcher nicht mehr in seine Einzelteile gespalten werden muss. Oftmals wird Glucose umgangssprachlich auch als Traubenzucker bezeichnet. Dieser kommt uns in der Regel in Kombination mit Diabetikern oder aus Prüfungssituationen bekannt vor – als der schnelle Energiekick für Zwischendurch. Natürlich heißt das nicht, dass Ihr ständig Traubenzucker essen sollt – sondern Euer Körper versorgt sich selbst mit Glucose, wenn Ihr ihm Kohlenhydrate zur Verfügung stellt. Alle Kohlenhydrate, die Ihr verzehrt, z.B. auch Mehrfachzucker (Poly-Saccharide) aus eurem Vollkornbrot werden immer in ihre Einzelteile gespalten bis letztendlich die notwendige Glucose übrig ist, um unseren Körper mit der erforderlichen Energie versorgen zu können.

Wie läuft die Versorgung mit Glucose ab? Müssen wir täglich Kohlenhydrate verzehren oder kann unser Körper auch Kohlenhydrate speichern?

Unser Körper ist glücklicherweise in der Lage Kohlenhydrate speichern zu können. Allerdings stehen ihm begrenzte Speicherkapazitäten zur Verfügung. Insgesamt besitzt unser Körper lediglich 2 Kohlenhydratspeicher – einen in der Muskulatur und einen in der Leber. Die Speicherform der Glucose wird als Glykogen bezeichnet und stellt deren nicht lösliche, kompakte Form dar.

 

Speicherort Speicherkapazität Besonderheiten
Muskulatur 500g Hauptspeicher des Körper. Diese Glucose kann allerdings nicht zur Energieversorgung verwendet werden.
Leber 100g Diese Glucose kann zur Energiegewinnung verwendet werden. Der Speicher ist allerdings mit 100g sehr begrenzt.

Unser Gehirn ist zwar am dringendsten auf Glucose angewiesen, kann dieses allerdings leider nicht selbst speichern. Grund hierfür ist die Tatsache, dass Glucose oxidierbar ist. Demnach muss unser Gehirn fortwährend mit Glucose versorgt werden. Ein Mindestanteil an Glucose im Blut ist hierfür erforderlich. Diesen Prozess übernimmt unsere Leber für uns. Wie viel Glucose braucht unser Gehirn täglich um funktionsfähig bleiben zu können? Pro Tag verbraucht dieses ca. 120 g Glucose – das ist ungefähr das Gewicht einer normalen Banane inklusive ihrer Schale. Unser Gehirn ist demnach auf mehr Glucose angewiesen als es Speicherkapazität in der Leber gibt.

 

Kann unser Körper auch auf andere Art und Weise mit Energie versorgt werden?

Ja. Es existiert ein alternativer Energiegewinnungsprozess. Der Stoffwechsel kann beeinflusst werden, aber grundsätzlich ist dieser Mechanismus für Hungerzustände bestimmt. Und dies funktioniert in diesen „Notsituationen“ auch nur, weil unser Gehirn, um eine intakte Gehirnleistung aufrechterhalten zu können auf Glucose angewiesen ist. Somit muss das Gehirn auch in Notsituationen fortlaufend versorgt werden, um das eigene Überleben sichern zu können. So schrecklich dies auch klingen mag, dieser Prozess geht soweit, sodass unser Gehirn weiterhin intakt ist, wenn wir verhungern und der Körper ansonsten komplett ausgezerrt ist. Wie läuft nun dieser alternative Prozess in unserem Körper ab? In diesen „Notsituationen“ kann unser Körper in begrenztem Umfang Ketonkörper verarbeiten. Dies hat zur Folge, dass die Fettreserven des Körpers verbrannt werden. Ihr denkt Euch jetzt super, was gibt es besseres als, wenn Fettreserven verbrannt werden? Leider so einiges. Bei dem Vorgang die eigenen Fettreserven des Körpers zu verwerten und anstelle von Glucose zur Energieversorgung zu verwenden, entstehen die bereits erwähnten Ketonkörper. Auf Dauer kann dieser Vorgang lebensgefährliche Folgen haben. Die eigenen Reserven des Körpers zur Energieversorgung verwenden zu müssen, stellt einzig und alleine eine für „Notsituationen“ angelegte Funktion dar. Unser Körper ist zwar ziemlich intelligent und ist dazu in der Lage während Mangelzuständen weiterhin sein eigenes Überleben sichern zu können, aber diese Überanstrengung sollte ihm eigentlich nicht langfristig zugemutet werden.  Ihr denkt Euch gerade hungern? Ich bin doch nicht magersüchtig oder besitze irgendeine Art von Essstörung – ich esse, aber eben keine oder nur wenige Kohlenhydrate. Das stimmt vermutlich, aber für Euren Körper signalisiert Ihr etwas anderes. Erhält dieser keine Glucose, dann setzt für ihn eine Notsituation ein und dies bedeutet für ihn trotz aller Umstände einen Hungerzustand. Dies bedeutet ihr nehmt ab, aber Euer Körper muss extrem viel Kraft aufwenden, um eure Organe, wie vor allem das Gehirn weiterhin versorgen zu können.

Macht mich eine Low Carb Diät langfristig schlanker?

Bei einer Betrachtung der wissenschaftlichen Datenlage fragt man sich, weshalb so viele Menschen diesem Wahn verfallen sind. Schließlich existieren keine empirischen Studien, die diese Ernährungsweise über 1 Jahr verfolgen. Auch fehlen wissenschaftliche Nachweise, dass langfristig im Vergleich zu einer fettarmen Ernährungsweise mehr an Gewicht verloren wird. Okay, zugegebenermaßen hört man von keiner anderen Diät von einem so schnellen Abnehm-Erfolg wie bei dieser. Woran das liegt? Der schnelle Gewichtsverlust resultiert zum einen darin, dass unsere Kohlenhydratspeicher geleert werden. Zum anderen darin, dass wie bereits mehrfach erwähnt, Kohlenhydrate unsere Energielieferanten Nr. 1 darstellen. Den Umschalt-Mechanismus, der aus der „Hungersituation“ resultiert führt dazu, dass man zu Beginn besonders an Gewicht verliert. Zu Beginn verlieren viele Menschen mit dieser Diät Gewicht fast wie ein Abreißkalender – dies ist natürlich auch abhängig vom eigenen Stoffwechsel. Gewöhnt sich der Körper allerdings an diesen Zustand, dann wird es wesentlich schwieriger weiter abzunehmen und die Erfolge werden sichtlich geringer. Auch der ungeliebte Jojo-Effekt, von dem jeder schon einmal gehört oder sogar selbst erlebt hat, ist bei Low Carb besonders ausgeprägt. Wofür machen wir das also alles? Ist es auf Dauer nicht viel zu anstrengend sich ständig nur Lebensmittel zu verbieten? Schließlich haben Diäten langfristig nur wenig Erfolg – eine dauerhafte Ernährungsumstellung ist das richtige. Ansonsten tritt der ungeliebte Jojo-Effekt auf. Denn hört man plötzlich mit seinem Kohlenhydratfasten auf oder besitzt einen besonderen Heißhunger auf bspw. eine Pizza – dann speichert der Körper diese Kalorien besonders.

Schließlich denkt unser Körper ja, er befindet sich in einer Notsituation und müsste sich nun für die nächste Hungersituation wappnen. Jetzt denken manche vielleicht, okay um einem Jojo-Effekt entgehen zu können, gibt es ja diesen „Cheat-Day“ – einen Tag in der Woche, in dem man sich und sein Essverhalten betrügen kann und alles in sich hineinstopfen kann, was man möchte und Kalorien, Kalorien sein lassen kann. Aber ganz ehrlich ändert dies etwas daran, dass wir unserem Körper die restlichen 6 Tage der Woche schaden? Und vor allem an einem Tag der Woche alles Binge-Eating mäßig zu uns nehmen?

Kohlenhydrate sind die typischen Dickmacher. Wahrheit oder Lüge?

Die Annahme, dass Kohlenhydrate Dickmacher sind ist grundsätzlich falsch. Die Speicher in unserem Körper, in dem Kohlenhydrate überhaupt gespeichert werden können ist gering, ja. Was passiert nun mit den Kohlenhydraten, die wir über den eigenen Energiebedarf zu uns nehmen? Diese werden in Fette umgewandelt und als diese gespeichert. Dies liegt darin, dass der einzige Speicher in unserem Körper der unendlich zur Verfügung steht, das Fettgewebe darstellt. Kohlenhydrate = Dickmacher?

Nein, nicht grundsätzlich. Denn was viele nicht beachten ist die Tatsache, dass dieser Vorgang auch mit allen anderen energieliefernden Nährstoffen, d.h. auch mit Fetten und Proteinen geschieht. Demnach wird Alles, was über den eigenen Energiebedarf hinaus verzehrt wird im Fettgewebe gespeichert. Da Kohlenhydrate zunächst noch verstoffwechselt werden müssen, geht auf diese Weise ein Teil ihrer Energie verloren – weshalb der Begriff Dickmacher eher auf Fette zutrifft, da Fettsäuren sofort im Fettgewebe eingelagert werden können.

„Gute“ und „Schlechte“ Kohlenhydrate. Was bedeutet das?

Ich sage auf keinen Fall, esst den ganzen Tag nur Kohlenhydrate, aber man sollte wirklich nicht auf sie verzichten und im Umgang mit Kohlenhydraten kritisch sein. Bei Kohlenhydraten muss man stark differenzieren zwischen „guten“ und „schlechten“. Viele Lebensmittel, die energiereich sind, wie bspw. Soft Drinks, Süßigkeiten, Kuchen und Gebäck, Chips, Pizza, Pommes und Weißmehlprodukte sind reich an schnell resorbierbaren Kohlenhydraten – diese gehen schnell ins Blut über, erhöhen unseren Blutzuckerspiegel, sättigen uns nur für kurze Zeit und sind der häufigste Grund für eine Heißhungerattacke. Somit natürlich langfristig für ernährungsbedingte Erkrankungen, wie Diabetes oder eine Gewichtszunahme verantwortlich – also ja, Kohlenhydrate können auch Dickmacher sein – eine Differenzierung ist daher sehr wichtig und auch dringend erforderlich. Ernährt man sich Low Carb, dann konsumiert man automatisch auch diese schnell resorbierbaren Lebensmittel nicht. Bedacht werden muss daher, dass man aufgrund dessen natürlich auch an Gewicht verliert.

 

Aber glaubt ihr nicht, dass man auch an Gewicht verliert, wenn man diese Lebensmittel nur maßvoll verzehren würde? Wenn diese eine Ausnahme, sozusagen eine gelegentliche Abwechslung in unserem Speiseplan darstellen würden und somit keine Verbote oder gar etwas gefährliches repräsentieren würden? Und wir ansonsten „gute“ Kohlenhydrate in Form von Vollkornprodukten, Haferflocken und anderen Getreideflocken, Kartoffeln, Pseudogetreide, wie Couscous, Bulgur, Quinoa, Hirse verzehren würden? Kohlenhydrate, die unseren Körper mit vielen Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen versorgen und somit unseren Blutzuckerspiegel konstant halten? Dies bedeutet uns länger anhaltend satt halten und somit auch ungeliebten Heißhungerattacken vorbeugen würden? Zusätzlich beliefern sie unseren Körper mit der notwendigen Glucose! Habt ihr schon einmal von „Slow Carb“ gehört? Diese Ernährungsweise, ein neu zu beobachtender Trend stellt genau diese Kohlenhydratgruppe in den Fokus und verspricht trotz allem eine Gewichtsabnahme.

Ist Low Carb grundsätzlich für jeden geeignet?

Zu Beginn ein klares Nein! In der Regel verzehren Low Carb Anhänger besonders viel Fleisch und im Allgemeinen übermäßig viel Proteine und auch Fett. Besonders bei diversen Krankheiten, wie Nierenerkrankungen, Diabetes, Gicht, Arthrose, Rheuma oder Rheumatischer Arthritis ist Low Carb durch den hohen Proteinanteil absolut nicht empfehlenswert und sogar kontraproduktiv für den weiteren Krankheitsverlauf. Bei diesen Vorerkrankungen sollte Low Carb demnach nicht durchgeführt werden!

Woran ist denn jetzt mit großer Wahrscheinlich Herr Atkins gestorben?

Eine auf Dauer durchgeführte Low Carb Ernährung erhöht stark das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle sowie Nieren-und Leberprobleme. Wieso? Ganz einfach unser Körper ist nicht ausgelastet für einen derartig hohen Fett- und Proteinkonsum. Auch geht eine derartige Ernährungsweise eher mit Cholesterinreichen Lebensmitteln einher. Insgesamt geht Low Carb damit mit einer erhöhten Sterblichkeit einher.

Fazit: Bitte tut mir einen Gefallen, achtet auf Euren Körper und verfolgt keine Diäten – nur weil jeder sie durchführt (und scheinbar so viel mit dieser Ernährungsform abnimmt). Seid, einfach kritisch! Und als Kompromiss könnt ihr Euch gerne abends Low Carb ernähren – schließlich sind Kohlenhydrate zur Energiegewinnung dar. Ich jedenfalls betrachte Kohlenhydrate weiter als meine Freunde und möchte nicht auf sie verzichten wollen – v.a. nicht auf meine „Slow Carbs“.

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